Dauerwohnen im Wochenendhausgebiet Oybaum – in Zukunft endlich legal?

„Wer den Geist aus der Flasche lässt“, so die wohl der eigenen Ratlosigkeit geschuldete Kommentierung eines Sachkundigen Bürgers in der Sitzung des Bau-, Planungs-, Verkehrs und Umweltausschusses am Donnerstag, dem 29. Juni, gefallen in der Beratung zur 22. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 027 – Erholungsgebiet Oybaum.

Denn dort musste erst einmal tüchtig „geheilt“ werden. Und zwar auf Antrag von zwei Bürgern, die im Oybaum ein Haus besitzen und dieses – wie fast alle anderen dort lebenden Bürgerinnen und Bürger auch – dauerhaft bewohnen. Die Bürger hatten von ihrem Recht Gebrauch gemacht, Stellungnahmen im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung zur 57. Änderung des Flächennutzungsplanes der Stadt Kalkar – Windenergie abzugeben, sowie – aufgrund der zu erwartenden Lärmbelästigung für die Bewohner des Oybaums – Widerspruch gegen die Genehmigung der Windenergieanlage südlich der Rheinstraße (zwischen Rheinstraße und Leuthweg) einzulegen. Das veranlasste die Bezirksregierung Düsseldorf, den Kreis Kleve mit der Überprüfung des im Jahr 2011 erworbenen Hauses zu beauftragen. Bei dem 1998 errichteten Haus wurden mehrere Mängel festgestellt, u. a. eine größere Grundfläche und Dachneigung als im aktuell gültigen Bebauungsplan erlaubt, sowie das Vorhandensein einer Garage auf dem Grundstück. Zulässig sind im Oybaum bisher lediglich nicht überdachte Stellplätze. Die Mängel wurden vom Kreis Kleve beanstandet und führten zusammen mit dem Vorwurf des nicht rechtmäßigen Dauerwohnens in einem Wochenendhausgebiet zu der Feststellung, dass die Hausbesitzer illegal im Oybaum wohnen und daher keine Rechtsposition besitzen.

Erholungsgebiet Oybaum in Kalkar (Quelle: OpenStreetMap)

Das Haus wurde 1998 auf der Basis eines Erschließungs- und Investitionsvertrages zwischen der Stadt Kalkar und den damaligen „Oybaum-Entwicklern“ errichtet. Die erst im Jahr 2002 vom Rat der Stadt Kalkar verabschiedete 20. Änderung des Bebauungsplanes beinhaltete dann jedoch u. a. eine kleinere Grundfläche (max. 90 statt 95 qm) als im Erschließungsvertrag vereinbart. Zu diesem Zeitpunkt war das Haus bereits seit vier Jahren fertiggestellt und wurde seitdem dauerhaft von den Erstbesitzern bewohnt.

Und was ist mit der Garage? Der im Jahr 2000 errichtete Carport wurde 2002 vom Vorbesitzer nachträglich mit einem Holztor ausgestattet. Dirk Altenburg (FORUM) erläuterte die Definition des Begriffes „Garage“ gemäß den Bestimmungen der Sonderbauverordnung: Ein Stellplatz hat definitionsgemäß kein Dach, ein überdachter Stellplatz ist bereits eine offene Garage. Darunter fallen auch alle sogenannten „Carports“. Im Oybaum befindet sich ein großer Teil der Stellplätze unter den Schleppdächern, d. h. den verlängerten Dächern der Häuser. Nach dem aktuell gültigem Bebauungsplan müssten die Eigentümer ihre Dächer „einkürzen“ und / oder die „Carports“ abreißen, damit aus diesen ein genehmigter Stellplatz wird. Und so nahm die Beratung Fahrt auf, die als Beschluss auch die „Heilung“ aller Garagen beinhaltete, die sich im überbaubaren Raum, also innerhalb des Baufensters der Grundstücke befinden. Hat ein „Garagenerrichter“ auch dagegen verstoßen, könnte dies im laufenden Verfahren ggf. durch Anpassung des Baufensters ebenfalls geheilt werden.

Obwohl nach dem Melderecht der erste Wohnsitz im Oybaum angemeldet werden darf, ist das Dauerwohnen in einem Wochenendhausgebiet jedoch gemäß Baurecht nicht zulässig. Nach Auskunft der Verwaltung haben 250 Mitbürger ihren Erstwohnsitz im Oybaum, d. h. vom Dauerwohnen wird in diesem Gebiet nachweislich überwiegend Gebrauch gemacht.

Ein kleiner Lichtblick im Hinblick auf eine mögliche Legalisierung der Wohnsituation ist die kürzlich verabschiedete Änderung des Baugesetzbuches (BauGB), der §12 wurde um den Absatz 7 ergänzt. Diese Änderung trat Mitte Mai 2017 in Kraft und ermöglicht es den Kommunen, das dauerhafte Wohnen in Erholungssondergebieten (Ferien- und Wochenendhausgebiete) unter Vorlage eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans in Abstimmung mit den übergeordneten Behörden nachträglich zu legalisieren.

Das Wochenendhausgebiet Oybaum wurde – in weiser Voraussicht – bereits im Rahmen eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes entwickelt, so dass heute aus Sicht der betroffenen Bürger nur eine einfache Ergänzung des Bebauungsplanes erforderlich ist und auch beantragt wurde:

„Das Wochenendhausgebiet Oybaum dient zu Zwecken der Erholung. Neben dem Freizeitwohnen in Wochenendhäusern ist auch der dauerhafte Aufenthalt von Menschen und die Begründung eines Erstwohnsitzes gem. §12, Abs. 7 BauGB in diesen Häusern zulässig.“

Diese Variante hätte zudem den Vorteil, dass weder der Flächennutzungsplan noch der Regionalplan geändert werden müssten, da der Oybaum weiterhin ein Wochenendhausgebiet bleibt.

Aber so einfach ist die Angelegenheit anscheinend leider nicht, wie Stadtoberbaurat Sundermann anmerkte, der diesbezüglich schon einen ersten Austausch mit der Bezirksregierung hatte.

Was nun? Die Stadt Xanten plant alternativ in ihrem Ferienhausgebiet „Am Nibelungenbad“ den Bebauungsplan aufgrund der eingetretenen Funktionslosigkeit aufzuheben, auch hier wird überwiegend dauerhaft gewohnt. Vorhaben würden in diesem Gebiet in Zukunft dann nach § 34 BauGB beurteilt:

§ 34: Zulässigkeit von Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

In diesem Fall müssten jedoch wohl Flächennutzungsplan und Regionalplan geändert werden. Soweit wollten die Ausschussmitglieder zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht gehen. Lutz Kühnen (FORUM) mahnte eine rechtssichere Grundlage für den Beschluss an. Eine Rechtsberatung wiederum kostet Geld, das die Stadt nicht hat und somit einigten sich die Ausschussmitglieder darauf, dass die Verwaltung weiterhin intern an einer Lösung arbeitet.

Die Angelegenheit ist durchaus heikel, da das Land NRW die Kreise bereits 2008 / 2009 aufgefordert hat, gegen den „Tatbestand des illegalen Dauerwohnens“ in Erholungssondergebieten vorzugehen. Es ist allerdings kaum davon auszugehen, dass die betroffenen Bürger nun ihre Häuser verlassen müssen. Zur Not könnte der Kreis zeitlich begrenzte Duldungen aussprechen.

Neben diesem „Top Act“ beschlossen die Ausschussmitglieder ein paar „olle Kamellen“ aus der Vergangenheit, die im Rahmen des Planverfahrens die Öffentlichkeitsbeteiligungen durchlaufen haben.

Ein Novum ist sicherlich die Ergänzung des Beschlusses zu einem Antrag zur 7. Änderung des Bebauungsplanes 073 – Auf den Behrnen, projektbezogene Informationen unmittelbar an die betroffenen Bürger zu kommunizieren. Dort möchte der Hausbesitzer eines Doppelhauses jeweils auf der links- und rechtsseitig angebauten Garage einen „Freisitz“ errichten. Da nicht anzunehmen ist, dass die Anwohner regelmäßig die öffentlichen Bekanntmachungen lesen, werden diese nun direkt von der Verwaltung auf die Möglichkeit des Einspruches in der Öffentlichkeitsbeteiligung hingewiesen.

Eine Einwohnerfrage nahm Bezug auf die Gülleausbringung in einem Naturschutzgebiet. Die Verwaltung verwies auf die Kontrollen der unteren Landschaftsbehörde. Eine weitere Frage wurde zur aktuellen Situation auf dem Spielplatz im Schwanenhorst gestellt. Die Verwaltung verwies auf die nächste Sitzung des Ausschusses für Schule, Jugend und Sport.

Ihr FORUM Kalkar

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